Ich und meine Liebe zu den Wörtern – und was das mit so einigen Kindern macht

Die Kinder meiner Gruppe sind ganz besonders gefordert. Ich verwende nämlich nicht immer nur kindgerechte Sprache. Damit meine ich jetzt nicht Schimpfwörter – die werden natürlich verwandelt – einfach für die Alltagssprache etwas ungewöhnlichere Wörter. Die sind meine große Leidenschaft. Gar nichts großes, aber optimal, nonverbale Kommunikation, frustriert, Kooperation, abstrakt, implodieren, konform, logisch, Inspiration,… so etwas in der Richtung rutscht mir des öfteren über die Lippen.

In der Ausbildung haben wir gelernt wie wichtig die kindgerechte Ausdrucksweise ist, aber in der Praxis durfte ich feststellen wieviel spannender es ist auch immer wieder Ausdrücke zu verwenden die Kinder noch nicht kennen. Die meisten wissen aus dem Zusammenhang was ich meine und entwickeln so ein großartiges Gefühl für Sprache und Satzbau. Und dann gibt es etwas, dass mich immer ganz besonders freut, so wie die Situation letztens:

Ich saß im Garten und durfte noch die letzten Atemzüge meiner Pause genießen, die Kinder sahen mich aber schon. Ich wollte noch einen Bissen von meiner Obstjause machen als ein Kind auf mich zukam und mich bat doch bitte mit zu kommen um ein Sandkunstwerk zu bestaunen. Meine Antwort war: „Ich komme gerne in wenigen Minuten, aber ich möchte wirklich gerne zuerst noch meine Jause essen sonst implodiert noch mein Bauch.“ (Dass das physikalisch gar nicht möglich gewesen wäre unter den gegeben Umständen ist eine andere Geschichte) Worauf das Kind entgegnete: „Was heißt implodieren?“

Und genau diese Neugier und das geweckte Interesse an Worten und der Sprache beflügelt mich doch immer wieder meine Sprechgewohnheiten manchmal einfach durchscheinen zu lassen.

Ich musste die genaue Definition übrigens später googlen, denn mit der Erklärung „das Gegenteil von explodieren“ war das Kind absolut noch nicht zufrieden gestellt.

 

Der Krampus

Kinder können ganz schön grausam sein.

Sagt ein 4jähriger zu einem 3jährigen: „Ja und wenn du das weiter so machst holt dich der Krampus.“

Das jüngere Kind beginnt zu weinen und wird von mir getröstet. Ich erkläre ihm das hinter allen Krampusmasken Menschen stecken und wenn einer in unsere Gruppe will, dass ich ihn auf keinen Fall herein lassen würde.

Die ganze Situation will ich dann noch mit einer Geschichte aus meiner Kindheit auflockern und erzähle, dass auch meine Mama mich einmal vor einem Krampus beschützt hat indem sie ihn einfach rausgeschmissen hat.

Eine Freundin geht zum Kind, dass die Geschichte angestoßen hat um zu erzählen, dass meine Mama den Krampus nie herein lassen würde. Woraufhin das größere Kind sagt: „Dann prackt der Krampus der Mama von der Anni auch einfach den Popo aus!“

Der Gefühlsvulkan

Kinder spielen – Kinder lernen – Kinder streiten

Und in all dem sind sooo viele Gefühle versteckt. Manchmal nimmt da eines überhand und bricht aus.

Den Umgang mit solchen Ausbrüchen muss man sich in so einer großen Kindergruppe ziemlich gut ausmachen und natürlich auch vorleben (eher vorspielen – wirkliche Emotionsausbrüche sind vielleicht nicht sooo geeignet).

Daher habe ich vor einiger Zeit mit den Kindern folgendes gemacht:

Während eines Morgenkreises haben wir die unterschiedlichste Gefühle besprochen, die Kinder hatten auch meistens schon spannende Beispiele dazu und überlegt was wir tun können wenn bei jemandem ein Gefühl überhand nimmt. Aber auch wie andere Kinder das erkennen können und wie sie vielleicht helfen können.

 

Gestern durfte ich an einem Beispiel erleben wieviel davon hängen geblieben ist:

Moritz ist mitten im Morgenkreis aufgestanden und hat sich in der Garderobe auf die Bank gelegt. Für mich war das völlig unverständlich denn ich hatte nicht bemerkt das irgendetwas vorgefallen war. Ich verlies den Kreis, nach Absprache mit den anderen Kindern, um kurz nach Moritz zu sehen und fragte ihn was denn los sei. Seine Antwort: „Ich musste kurz raus weil der Jakob hat mich so wütend gemacht und ich wollte niemanden verletzen.“  – Was für eine bemerkenswerte Aktion für einen 5jährigen Menschen! Auf die Nachfrage ob ich etwas für ihn tun könne meinte er noch, dass er nur kurz ein wenig Ruhe bräuchte. Woraufhin ich ihn allein lies und zum Morgenkreis zurückkehrte. Das Thema das wir davor behandelt hatten war natürlich jetzt völlig uninteressant und alle Kinder erzählten Gefühlsgeschichten und haben davon vermutlich mehr mitgenommen als vom Kinderlied das ich davor mit ihnen gesungen hatte. Später stieß Moritz auch still und leise wieder zum Kreis dazu und wurde mit liebevollen Blicken und freundlichen „Alles wieder okay?“ empfangen.

 

 

Wenn ich nur ein paar mehr Ohren hätte

Mir ist es extrem wichtig, dass ich die Kinder in ihrer Sprachbegabung fördere. Ich sehe tagtäglich wie gut es Menschen geht die sich artikulieren können, denn Sprache ist ein wichtiger Aspekt in unserer Gesellschaft.

Das heißt, für unsere Gruppe: wir tratschen viel, ich erzähle leidenschaftlich gern Geschichten, wir betrachten gemeinsam Bilderbücher und wir diskutieren – sehr viel über die Notwendigkeit von höflichen oder „ordentlichen“ Verhaltensweisen, aber manchmal auch über andere Themen (Gott war vor kurzem erst der Renner).

Nur leider gibts dann Tage, da bin ich vielleicht selber nicht ganz auf der Höhe und die Kinder haben ganz besonders großen Rededrang, da würd ich mir am allerliebsten (meistens so gegen 15:30 am Nachmittag, wenn der Tag auch schon lang war) Ohrenschützer aufsetzen und ein Tonband abspielen, dass immer wieder „Ahhh….“ und „Mhm….“ oder „Was würdest du dir denn jetzt von xy wünschen, wenn er/sie dir einen Wunsch erfüllen würde?“ runterratscht.

Heute war so ein Tag. Ich habe gefühlt tausendmal meinen Namen gehört und irgendwann hab ich mich dann an den Zeichentisch gesetzt und hab den Kindern dort mein Leid geklagt. Und zwar das ich gerade so oft meinen Namen gehört habe, dass mir der schon richtig auf die Nerven geht und das ich sooo gerne mal 2 Minuten nichts hören würde. Die beiden waren sehr verständnissvoll und haben mich in ihre ruhige Zeichenrunde aufgenommen. Als dann ein anderes Kind an mich herangetreten ist, mit der Frage ob ich ihm helfen könne, hat bevor ich reagieren konnte eines der Kinder folgendes gesagt: „Die Agathe mag grad ihren Namen nicht mehr hören. Kann ich dir helfen?“ Hat dem Kind die Jacke zugemacht, mich angelächelt und still weitergezeichnet.